
Ihre Profession, die plastische Chirurgie, erlebt durch die Pandemie einen Boom. Wie kommt das?
Die Menschen waren auf sich zurückgeworfen und haben vieles infrage gestellt. Dazu gehört auch das Äußere. Einige haben sich zudem bei Video-Konferenzen ständig selbst gesehen – und mit sich gehadert. Nicht zuletzt konnte weniger Geld ausgegeben werden, das manche nun in Selbstoptimierung investieren. Der Wunsch, einem Ideal zu entsprechen, wird immer größer.
Merken Sie das in Ihrer Wiesbadener Gemeinschaftspraxis, wo sie in einem kleinen Team selbst operieren?
Ja, die Nachfrage ist explodiert, lag aber schon davor über unseren Kapazitäten.
Es gibt zwei Gründe, die unter Ihr Messer führen können: ein selbst empfundener Makel oder ein durch Krankheit oder Verletzung entstelltes Äußeres. Wonach wählen Sie aus, wen Sie operieren?
Ein Makel wird zunächst einmal von einem Menschen als solcher empfunden. Wer eine prägnante Nase hat, kann ein Leben lang darunter leiden oder sie mit Stolz tragen. Wir führen vor einer Operation lieber ein Gespräch zu viel darüber als zu wenig. Gerade junge Menschen haben oft einen gewissen Leidensdruck und wünschen sich eine Veränderung. Aber ich habe auch schon vor Corona die Erfahrung gemacht, dass sich Operationen von selbst erledigen können, wenn man gut berät, weil junge Leute einer Identitätskrise entwachsen. Das ist für mich ebenso ein Erfolg wie eine gelungene Operation.
Wann ist eine Schönheitsoperation gelungen? Bei Nasen ist die Revisionsrate ja grundsätzlich überdurchschnittlich hoch.
Stimmt, das hängt meist mit dem Erwartungsmanagement zusammen. Manche erhoffen sich, dass eine Anpassung an die Norm das gesamte Leben verbessert. Deshalb legen wir so großen Wert auf die Vorgespräche. Was wir mit dem Skalpell leisten können oder nicht, wissen wir sehr genau. Aber wir können nur Erwartungen erfüllen, die klar ausgesprochen sind.


Ein verändertes Äußeres kann zum Selbstbewusstsein beitragen, auch wenn die Veränderung in den Augen anderer eher klein ist …
Das ist eine Gratwanderung. Wenn ich mit einem gut vertretbaren Eingriff einem Menschen eine große Unterstützung gebe, dann entscheide ich mich dafür. Wenn ich denke, dass die Selbstzweifel nicht abnehmen würden, sondern sich nach einer OP sogar verstärken, weil der äußere Makel nicht mehr dafür verantwortlich gemacht werden kann, dann lasse ich es sein.
Sie operieren seit mehr als drei Jahrzehnten – nicht nur in Ihrer Gemeinschaftspraxis, die Sie mit Dr. Dietmar Scholz in Wies- baden führen, sondern auf der ganzen Welt für die Hilfsorganisation Interplast. Dort ermöglicht plastische Chirurgie vielen Menschen überhaupt ein normales Leben, weil sie stark eingeschränkt sind. Dieser Arbeit konnten Sie während der Coronapandemie nicht nachgehen.
Ja, aber nachdem ich in diesen Ländern so viel operiert habe wie möglich, wollte ich mich ohnehin mehr darauf konzentrieren, mein Wissen weiterzugeben, damit die dortigen Ärzte und Ärztinnen selbst tätig werden können. Das ist viel effektiver. Gerade jetzt konnten wir diese Idee mit Interplast ausrollen und haben Videoschulungen in die ganze Welt übertragen. So konnten wir doch einiges bewirken.
Dafür haben Sie sich eines anderen Projekts angenommen.
Richtig! In unseren Praxisräumen gibt es jetzt keine weiße Wand mehr! Der Künstler Tommy Tritsch von der Firma Morgen aus Frankfurt hat mir geholfen, diesen langgehegten Traum zu erfüllen, obwohl er vorher noch nie eine Arztpraxis verschönert hat. Genau das fanden wir beide spannend.
Was haben Sie gegen Weiß?
Es ist so klinisch. Wir wollen keine Klinik sein, arbeiten im Team mit flachen Hierarchien, führen Gespräche und Operationen jeweils selbst durch. Hygiene geht auch in farbigen Räumen – und es ist für alle eine viel schönere Atmosphäre, zumal wir in möglichst vielen Details dieser wundervollen Gründerzeitvilla wieder ihre ursprüngliche Optik verleihen konnten, indem wir zeitgenössische Möbel und Baustoffe wie gebrauchte Dielenböden verwendet haben.
Was sowohl ästhetisch gelungen als auch nachhaltig ist. Vielen Dank für das Gespräch!
INTERPLAST Germany e. V.
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